Sonstige Begründung
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1. Gem. § 14 Abs. 4 Nr. 5 VgV ist ein Verhandlungsverfahren ohne vorherigen TNW zulässig, wenn zusätzliche Lieferleistungen des ursprünglichen Auftragnehmers beschafft werden sollen. Die Voraussetzungen des § 14 Abs. 4 Nr. 5 müssen kumulativ erfüllt sein: (1) Zunächst müssen der Auftragnehmer des ursprünglichen Auftrags und der Auftragnehmer der zusätzlichen Lieferung identisch sein. Das ist hier der Fall. (2) Die Beschaffung hat entweder der teilweisen Erneuerung oder Erweiterung der ursprünglichen Lieferung oder Einrichtung zu dienen. Sie muss folglich in unmittelbarem inhaltlichen Zusammenhang mit der ursprünglichen Lieferung oder Einrichtung stehen. Eine Erneuerung liegt nur bei der Anpassung der ursprünglichen Lieferung oder Einrichtung oder bei dem Austausch nur von Teilen vor. Erneuerung setzt voraus, dass die ursprüngliche Lieferung als Ganzes grundlegend als Produkt vorhanden bleibt. Das ist hier der Fall. Die vorhandenen Bestandsgeräte werden in einem Zeitraum von 24 Monaten sukzessive gegen Neugeräte ausgetauscht, je nach technischer Notwendigkeit, mit dem Ziel, in den ersten beiden Vertragsjahren alle Geräte gegen Neugeräte auszutauschen. (3) Außerdem kann auf die Bekanntmachung nur verzichtet werden, wenn die Lieferung eines anderen Unternehmens in technischer Hinsicht mit der ursprünglichen Leistung absolut inkompatibel oder relativ inkompatibel ist. Absolute Inkompatibilität ist gegeben, wenn der Gebrauchszweck durch die abweichenden (technischen) Merkmale vereitelt wird. Der Fall der relativen Inkompatibilität ist anzunehmen, wenn eine mögliche Angleichung unverhältnismäßige technische Schwierigkeiten aufwirft, die einen unverhältnismäßigen Aufwand auslösen oder den bestimmungsgemäßen Gebrauch nicht nur marginal beeinträchtigen. In Bezug auf den Austausch der Geräte besteht eine absolute Inkompatibilität, denn die BGA-Geräte eines anderen Herstellers lassen sich nicht mit den Geräten von Radiometer vernetzen. In Bezug auf die Gesamtheit des POCT ist zudem von einer relativen Inkompatibilität auszugehen, denn die Umstellung auf Geräte eines anderen Herstellers wäre mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden: Eine Vernetzung sowohl der BGA-Geräte als auch – wegen des Entfalls der Aqure-Middleware - der Gerinnungs-POCT im KliLu und in der BG-Klinik sowie die Einbindung der POCT-Kommission wären erforderlich und alle MitarbeiterInnen im klinischen Bereich müssten auf die neuen Geräte geschult werden. Auch eine potentielle Patientengefährdung während der Zeit der Umstellung ist nicht auszuschließen, denn die Geräte werden von Pflegepersonal und Ärzten bedient, für die der Umgang mit Analysegeräten eine besondere Herausforderung darstellt und die schnelle Entscheidungen aufgrund der erhaltenen Ergebnisse treffen müssen. (4) Schließlich beschränkt § 14 Abs. 4 Nr. 5 VgV die Laufzeit des Vertrags über zusätzliche Lieferungen grds. auf drei Jahre. Dies gilt für Aufträge und Daueraufträge. Die Begrenzung der Vertragslaufzeit kann ausnahmsweise überschritten werden, wenn die Kompatibilitätsprobleme auch nach drei Jahren fortbestehen und eine Neubeschaffung nicht wirtschaftlich wäre. Genau dieser Fall liegt vor. Die vorliegende Beschaffung ist für die Lebensdauer der Geräte angelegt. Diese beträgt in der Regel ca. 8-10 Jahre. Eine vorzeitige Neubeschaffung wäre keinesfalls wirtschaftlich. 2. Gemäß § 14 Abs. 4 Nr. 2 VgV ist ein Verhandlungsverfahren ohne vorherigen TNW zulässig, wenn der Auftrag wegen seiner technischen Besonderheiten nur von einem bestimmten Unternehmen ausgeführt werden kann. Zusätzlich darf es gem. § 14 Abs. 6 VgV keine vernünftige Alternative geben, und die Ausschließlichkeitssituation darf nicht durch den öffentlichen Auftraggeber selbst mit Blick auf das anstehende Vergabeverfahren herbeigeführt werden. Hierbei sind funktionell vergleichbare Produkte in Betracht zu ziehen. Erst wenn die Ungeeignetheit aller weiteren verfügbaren Produkte positiv feststeht, kann eine Ausschließlichkeit aus technischen Gründen bestehen. Das ist hier Fall: Die Festlegung auf die BGA-Geräte des Herstellers Radiometer verstößt weder gegen den Grundsatz der Produktneutralität, noch ist diese das Ergebnis einer künstlichen Wettbewerbseinschränkung, wenn eine Durchbrechung dieser Grundsätze sachlich gerechtfertigt ist, d.h. wenn hierfür nachvollziehbare, objektiv und auftragsbezogene Gründe vorliegen und die Produktfestlegung somit willkürfrei getroffen wurde. Das ist der Fall: Im Kreißsaal wird das BGA-Gerät für die pränatale Blutgasanalysen und Blutgasanalysen bei Neugeborenen eingesetzt. Hier stehen in der Regel nur minimale Probenvolumina zur Verfügung, so dass hierfür ein „Mikromodus“ erforderlich ist. Nach Kenntnissen der Laborleitung verfügt derzeit nur der aktuell eingesetzte Gerätetyp ABL825 der Firma Radiometer über einen solchen Mikromodus; geringstes Probenvolumen liegt hier bei 45 µl. Ein aktueller im Internet auf der Seite des Medizinischen Fachverlags Trillium veröffentlichen Gerätevergleichs hat ergeben, dass auch die Geräte des Herstellers Werfen über einen Mikromodus verfügen, allerdings mit einem kleinsten Probenvolumen von 65 µl. Dieser ein Volumenunterschied von 20 µl macht bei Volumina im Mikrobereich einen sehr großen Unterschied, denn er kann bedeuten, dass nur ein einziger winziger Blutstropfen zur Verfügung steht, mit dem alle erforderlichen Messungen durchgeführt werden müssen. Ist dieses Volumen für das eingesetzte BGA-Gerät zu gering, müsste eine weitere Blutprobe genommen werden, was insbesondere bei Früh- und Neugeborenen ggf. nicht möglich wäre bzw. einen u.U. stark belastenden Eingriff für das Neugeborene bedeuten würde. Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal der Radiometer-Geräte ist der sogenannte Pleurapunktatmodus (pH-Messung bei Pleurapunktaten). Hierfür kämen ggf. Geräte des Herstellers Werfen in Betracht, da nur diese ebenfalls über diese beiden Funktionalitäten verfügen, genügen aber nicht den Anforderderungen,s.o.